Der Eintritt in eine Kindergruppe bedeutet für ein Kind eine erhebliche Umstellung. Es muss sich auf neue Menschen, Räume und Regeln einstellen. Das kann verwirrend, spannend aber auch verängstigend sein, daher ist es umso wichtiger, dass das Kind in dieser neuen Phase seines Lebens von einer vertrauten Person begleitet wird. In der Regel ist diese Bezugsperson die Mutter oder der Vater.
Die Eltern sollten sich auf 2 bis 3 Wochen Eingewöhnungszeit einstellen. Wenn es schneller geht: prima! Aber hier geht es nicht um einen Wettstreit. Wir arbeiten nach dem Berliner Eingewöhnungsmodell.
Das Berliner Eingewöhnungsmodell
Die Bezugsperson sollte sich mit dem Kind für ein bis zwei Stunden in der Einrichtung aufhalten. Dabei verhält sie sich passiv, aber aufmerksam gegenüber den Signalen des Kindes. Sie ist für das Kind der „sichere Hafen“, d. h. sie folgt dem Kind nicht, ist aber immer gut erreichbar und aufmerksam (Zeitung lesen und das Spielen mit anderen Kindern ist hier sehr kontraproduktiv). Die Fachkraft versucht vorsichtig, über Spielangebote Kontakt zum Kind aufzubauen. Es finden keine Trennungsversuche statt. Die Pflegeroutinen vollzieht die Mutter/der Vater. Der Personalschlüssel sollte der besonderen Situation der Eingewöhnung angepasst sein, damit die Fachkraft entsprechend Zeit für das Kind hat und die Interaktion zwischen dem Elternteil und Kind beobachten kann.
Bei Säuglingen ist der Geruchssinn sehr gut ausgeprägt und stellt einen intensiven Zugang zur Welt dar. Daher sollte die Fachkraft im Idealfall kein Parfüm oder nur einen sehr dezenten Duft tragen, der gleichbleibend ist, so dass das Kind ihn mit der Person verbinden kann. Ein Gegenstand, der nach Mutter oder Vater riecht (Schnuffeltuch, getragenes T-Shirt) kann die Eingewöhnung für das Kind erleichtern. Insbesondere bei den ersten Schlafversuchen ist es für das Kind meist sehr hilfreich, sich darin einzukuscheln.
Am vierten Tag entfernt sich die Bezugsperson nach einiger Zeit aus dem Gruppenraum, nachdem sie sich vom Kind verabschiedet hat. Lässt sich das Kind schnell von der Fachkraft beruhigen oder ist es eher gleichmütig, sollte die erste Trennungsperiode 30 Minuten betragen. Wirkt das Kind hingegen verstört oder beginnt zu weinen ohne sich schnell trösten zu lassen, so sollte die Trennung nicht länger als zwei bis drei Minuten betragen. Das kindliche Verhalten in dieser Situation hat erfahrungsgemäß einen gewissen Voraussagewert für den weiteren Verlauf der Eingewöhnung.
Sicher gebundene Kinder (häufiger Blickkontakt zur Bezugsperson, heftiges Weinen beim Verlassenwerden und offene Annäherung/Körperkontakt bei Wiederkehr der Bezugsperson) brauchen eine längere Eingewöhnungszeit von zwei bis drei Wochen. Unsicher gebundene Kinder (je nach Bindungstyp eher gleichgültig bei der Trennung und der Wiederkehr der Bezugsperson oder große Erregung bei der Trennung, aber ambivalentes Verhalten bei der Wiederkehr) benötigen eher eine kürzere Eingewöhnungszeit von ca. ein bis eineinhalb Wochen.
Die Stabilisierungsphase beginnt mit dem fünften Tag (mit dem sechsten, wenn der fünfte Tag ein Montag ist). Die Fachkraft übernimmt zunehmend – erst im Beisein der Bezugsperson – die Versorgung des Kindes (Füttern, Wickeln etc.). Sie bietet sich gezielt als Spielpartner an und reagiert auf die Signale des Kindes.
Die Trennungszeiten werden, unter Beachtung der Bedürfnisse des Kindes, täglich verlängert. Akzeptiert das Kind die Trennung noch nicht, sollte bis zur zweiten Woche mit einer neuen Trennung gewartet werden. Es wird jedoch nie an einem Montag mit einem neuen Schritt begonnen.
(Quelle: Das Berliner Eingewöhnungsmodell – Theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung von Katja Braukhane
& Janina Knobeloch)